Mein Weg zum Segelfluglehrer – Teil 1: Des Pudels Kern (Die Entscheidung)

Ich bin Thomas, 31 Jahre alt, Physik-Doktorand, Segelflieger, MLV Abteilungsleiter Segelflug, zweiter Vorsitzender und seit kurzem Segelfluglehreranwärter. In diesem mehrteiligen Blog möchte ich Euch mitnehmen auf meinem Weg zum Fluglehrer, nicht um zu protzen oder um Anerkennung einzuheimsen, sondern um zu erläutern, wie die Ausbildung abläuft und vielleicht auch den ein oder anderen Piloten mit zu reißen es mir nach zu tun. Denn eines ist sicher: Der Luftsport braucht Fluglehrernachwuchs.

Doch zunächst muss ich etwas ausholen, nämlich zurück in den Juli 2014. Denn damals tat ich den wichtigsten Schritt: ich fasste den Entschluss am Lehrgang teilzunehmen!

„Du bist also der Fluglehreranwärter? Dass es solche Idealisten noch gibt – da kommst du doch selber nicht mehr zum Fliegen?“

Solche oder ähnliche Fragen habe ich in letzter Zeit öfter gehört und haben mich letztes Jahr auch sehr beschäftigt. Als Abteilungsleiter habe ich unsere Flugschüler auch ohne Fluglehrer zu sein bereits mit großen Interesse begleitet: Vom Vereinseintritt über ihren Fortschritt bis zum Scheinerhalt und dem reifenden Streckenflieger. Unsere Fluglehrer leisten an ihren Diensttagen dabei wirklich großartiges, von morgens bis Abends wird durchgehend geschult bis in die Abendstunden, oft nur mit kurzen Unterbrechungen, die gerade für eine Pinkelpause oder einen Kaffee reichen. Trotzdem schaffen sie es unentwegt ihre Begeisterung für den Flugsport an die Schüler weiter zu geben, sie zu motivieren und Schritt für Schritt bis zur Prüfung und darüber hinaus zu begleiten. Auch ich habe damals diese Hingabe und diesen außerordentlichen Einsatz als Flugschüler erfahren und schon bald reifte der Gedanke mich auch irgendwann einmal selbst zu engagieren. Das tat ich dann auch und so kam ich zum Amt des Abteilungsleiters und dem des zweiten Vorsitzenden, doch auch der Fluglehrer geisterte noch in meinem Kopf herum. Als ich dann in der Winterpause vor Saisonbeginn 2014 feststellte, dass ich bereits alle formalen Voraussetzungen erfüllte (min. 100 Flugstunden, 200 Starts, 200 km Streckenflug, usw.) wollte ich mir schließlich ernsthaft überlegen, ob ich mich zum Lehrgang anmelde, noch ein Jahr warte oder doch die Finger davon zu lassen sollte.

Von Seiten des Vereins war jedenfalls ein großer Bedarf vorhanden, denn Fluglehrer Hans Endris hatte bereits für das Jahresende seinen Ruhestand angekündigt. Es blieben also noch drei Fluglehrer die mit rund zehn sehr aktiven Flugschüler und den Überprüfungsflügen der Scheinpiloten viel schultern mussten.
Über ein Jahrzehnt ist es her, seit dem mit Florian Kremser, zuletzt ein MLV Pilot beim Fluglehrerlehrgang dabei war, eine viel zu große Pause ist seit dem vergangen. Vielleicht könnte ich durch meine Teilnahme auch etwas lostreten. Einige weitere jüngere Piloten erfüllen spätestens in den nächsten ein bis zwei Jahren die Voraussetzungen zur Teilnahme und würden vielleicht meinem Beispiel folgen. Ein reizvoller Gedanke auch aus meiner Sicht als Vorstand, denn Fluglehrer sind die Lebensader eines Vereins, die für stetigen Nachwuchs sorgen und die Sicherheit im Flugbetrieb hoch halten.

Einweisung in den Flugbetrieb beim Schnupperfliegen 2014.

Einweisung in den Flugbetrieb beim Schnupperfliegen 2014.

Ich selbst hatte immer viel Spaß daran Wissen zu vermitteln, egal ob während dem Studium, als Tutor in Übungsgruppen, Betreuer von Praktika oder später als Doktorand beim Begleiten von Bachelor und Masterstudenten während ihren Forschungsarbeiten am Lehrstuhl. Auch am Flugplatz gab es viele Gelegenheiten Wissen und Erfahrungen weiter zu geben, wie beispielsweise die Einweisung in Theorie und Technik beim Schnupperfliegen, bei Schulbesuchen mit dem Segelflugzeug oder auch während dem ganz normalen Flugbetrieb mit Flugschülern. Natürlich zählt nicht nur der Spaß beim Lehren, sondern durch eine solche Herausforderung habe ich die Chance mich persönlich weiter zu entwickeln.

Natürlich hat die Ausbildung und das Wirken als Fluglehrer auch seine Schattenseiten.
Die Ausbildung ist recht zeitaufwendig: min. 20 Starts zur Vorausbildung mit dem Vereinsfluglehrer, eine theoretische und eine praktische Vorauswahlprüfung, insgesamt knapp 3 Wochen Theorie- und Praxislehrgänge, Vorbereiten und Durchführen einer Lehrprobe, die Prüfung beim Luftamt und danach noch min. 50 Ausbildungsflüge unter Aufsicht. Alles in allem vergeht so mindestens ein Jahr bis ich als vollwertiger Fluglehrer schulen kann. Solange ich noch als Doktorand an der Uni arbeite, bin ich immerhin flexibel genug und kann meine Urlaubstage passend wählen. Wer weiß, was danach kommt, sobald ich nach Ende der Promotion eine Arbeitsstelle in Industrie oder einem Forschungsinstitut annehme.
Zudem habe ich mir vorgenommen zugunsten des Vereins die Kosten selbst zu tragen, durch viele F-Schlepps während des praktischen Teils und den Übernachtungen während des Lehrgangs kommen bis zu 2000 Euro zusammen. Andererseits bleibt für einen ausgiebigen und evtl. genau so teuren Urlaub eh keine Zeit mehr – halb so schlimm also.

Später als Fluglehrer – ich kenne mich viel zu gut – werde ich meine eigenen Ambitionen für Streckenflüge zurückstecken und statt dessen viel zu oft Platzrunden mit Flugschülern fliegen. Zusammen mit meinem Einsatz als Abteilungsleiter und Vorsitzender wird so auch das Privatleben arg eingeschränkt, denn an Wochenenden mit fliegbarem Wetter bin ich den ganzen Tag am Flugplatz.
Vieles mit dem ich mich bereits als Abteilungsleiter beschäftigte hat aber nichts mit dem Fliegen selbst zu tun, sondern mit ich nenne es mal „Formalitäten, EU-Recht und Papierkram“. So edel und wünschenswert EU-weit vereinheitlichte Regelungen bezüglich der Luftfahrt auch sind, so führte die praktische Umsetzung in der Regel zu Unsicherheiten und oft zeitlichen und finanziellen Mehraufwand für Vorstände bzw. Vereine. Ein Paradebeispiel ist das Lizenzwesen FCL (Flight Crew Licensing), welches in Deutschland per „Opt-Out-Verfahren“ eh schon mit Verzögerung eingeführt wurde. Schon die Bedingungen zum Umschreiben von alten auf neue Lizenzen werden von den verschiedenen Landesluftämtern sehr unterschiedlich definiert. Teilweise können die Behörden bei spezielleren Fragestellungen auch noch gar keine brauchbaren Antworten geben, da intern noch kein Verfahren festgelegt wurde. Seit kurzem ist nun mit Einführung der ATO (Approved Training Organization), die Ausbildung reformiert worden, hier trifft es nun also neben den Vorständen auch die Fluglehrer. Da schon innerhalb Deutschlands die einzelnen Landesluftfahrtbehörden die EU-Verordnungen unterschiedlich auslegen, zerfällt die bisher deutschlandweit einheitliche Ausbildung der Fluglehrer und der Flugschüler. Ein meiner Meinung nach unnötiger Rückschritt und eine dem ursprünglichem Sinn der EU-Verordnungen zuwiderlaufenden Entwicklung. Auch dieses zusätzliche Ärgernis muss ein künftiger Fluglehrer ertragen. So war bis Februar 2015 auch noch nicht klar, ob dieses Jahr ein Fluglehrerlehrgang stattfinden kann (normalerweise beginnt er bereits im Januar), da dieser nun nach ATO ausgeführt werden musste und die bayrischen Luftämter nur eines sicher sagen konnten: Der Lehrgang kann nicht genau so ablaufen, wie der bewährte Lehrgang vorher. Dankenswerterweise haben die Landesausbildungsleiter und Gruppenfluglehrer nicht locker gelassen und gemeinsam mit Vertretern des Luftamt Nordbayern und Südbayern doch ein akzeptables Konzept entwerfen können. Aber nun genug davon, bevor ich mich „in Rage schreibe“. Wer mich am Flugplatz trifft kann mich gerne zu diesem Thema befragen, sollte aber Zeit mitbringen.
Eine letzte Sache beschäftigte mich aber am schwerwiegendsten: „Bin ich denn geeignet? Soll ich noch warten?“ Vielleicht zeigt sich hier die Denkweise des Physikers, der alles sehr kritisch hinterfragt und gerne eine präzise Messung oder korrekte Rechnung für eine Antwort zugrunde legen möchte. Doch bei den menschlichen und handwerklichen Faktoren ist dies nicht so einfach möglich. Zwar fühle ich mich sicher und denke, dass ich „handwerklich“ die Fähigkeiten zum Steuern von Segelflugzeugen beherrsche, doch fragte ich mich zunächst, ob ich als Jungspund schon erfahren genug bin. Darüber hinaus ist eine unheimlich große Verantwortung zu tragen, denn irgendwann werde auch ich entscheiden müssen, ab wann ich bei einem Schulungsflug eingreife oder einen Flugschüler alleine fliegen lasse.

Nach reiflicher Überlegung fand ich aber, dass ich die „Schattenseiten“ ertragen kann, die große Verantwortung übernehmen möchte und die Möglichkeit als Fluglehrer zu lehren, Nachwuchs zu fördern und auch mich selbst dabei weiter zu entwickeln war viel zu attraktiv um nein zu sagen. So meldete ich mich also in besagtem Juli 2014 für den Fluglehrerlehrgang des LVB an. Nach vielen Verzögerungen (wie oben schon erwähnt), stand dann im Frühjahr 2015 endlich fest: Der Lehrgang findet statt und ich kann dabei sein! 🙂

Zum zweiten und dritten Teil meines Blog:
„Teil 2: Vorausbildung im Verein und Vorauswahlprüfungen”,
„Teil 3: Theorielehrgang“